Was hat die Farbe von Uniformen mit Kunst zu tun? a) Mit Graphit lässt sich graue Soldatenkluft gut darstellen. b) Es gab zur Zeit des WKII eine eigene Kunst- und Propaganda-Staffel, die in den Feldzügen eingesetzt war. Auch in Russland. Feldgrau ist die Bezeichnung deutscher Uniformen im ersten Weltkrieg und auch später bei der Wehrmacht. Das habe ich jetzt gelernt.
Im Frühling hat ein User oder eine Userin, das ist bei den heutigen Namensgebungen nicht immer ersichtlich, auf der Plattform livejournal.com Portraits ins Netz gestellt von russischen Kriegsgefangenen, die von deutschen Künstlern ausgeführt wurden.
Sie stammen aus einem Buch, das in deutscher Sprache erschienen ist, um das die User*in zunächst ein großes Geheimnis gemacht hat.
Es sind sehr eindringliche Bilder, von ausgezehrten Gesichtern, müde, resigniert. Aber wenn der NS Propaganda-Feldzug den slawischen Untermenschen zeigen sollte, so hat er versagt. Die Charaktere sind klar, die Gesichter authentisch, naturalistisch und nicht zur karikaturistischen Physiognomie verzerrt.
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Die Autorin, ich denke die ganze Zeit, dass es eine Frau sein muss, vielleicht wegen des Icons bei livejournal, schreibt, dass das Leiden der sowjetischen Kriegsgefangenen nach der Befreiung, nachdem sie das Grauen überlebt haben, Arbeitssklaven oder überzählige Mäuler zu sein, noch weitergegangen ist. Denn die Sowjetunion hat sie nicht mit offenen Armen empfangen, sondern als Volksverräter behandelt und gleich in das nächste Lager gesteckt. Denn ein Soldat der roten Armee ergibt sich nicht. Daran muss ich auch denken, wenn ich diese Gesichter sehe. Die Wahrscheinlichkeit, dieses doppelte Joch zu überleben war wohl sehr gering.
Da ich zunächst nicht herausfinden konnte, um welches Buch es sich handelt, habe ich versucht, mehr über die gelisteten Künstler zu erfahren.
Einige gehörten zu dem nationalsozialistischen Kulturestablishment, wie der 1885 in Berlin geborene Franz Eichhorst, dessen Werke Hitler sogar in seiner privaten Kunstsammlung besaß, er malte auch ein Lieblingsgemälde des Führers. Andere waren kurz nach dem Krieg nach Schweden ausgewandert, wie der aus dem Sudetenland stammende Olaf Jordan oder sind durch die Bekanntschaft mit Franz Kirchner zur Kunst gekommen (wie Hans Sauerbruch), wieder andere wurden nach dem Krieg Lehrer an einer Waldorfschule, arbeiteten als Grafiker und Illustratoren, verfielen dem Alkohol oder gerieten in ganz Vergessenheit.
Wenn es über diese Maler eine biografischen Notiz im Netz gibt, so steht da oft der Zusatz „XY war Mitglied in der Staffel der bildenden Künstler.“ Das war eine Eliteeinheit der Wehrmacht, die in Polen, Frankreich und Russland stationiert war und einen Bestandteil der Propagandamaschinerie bildete.
Von den meisten, deren Landschaftsskizzen jetzt zu Spottpreisen in Auktionen verscherbelt werden, heißt es lapidar, sie seien Maler des 20. Jahrhunderts gewesen.
Es ist schon bezeichnend, was alles in den Kommentaren unter dem russischen Post steht. Da ist Bitterkeit den deutschen Malern gegenüber, die den Luxus hatten, mit Pinsel und Farben an die Front zu gehen, während die russischen Mütterchen ihre verhungernden Kinder beerdigten. Da ist sogar ein Leugner der Vergasungen in Auschwitz zu finden, der behauptet, der Schlot wäre erst im Jahr 1948 errichtet worden. Aber viele erkennen darin einen wertvollen Beitrag und sehen, dass die Wehrmachtsoldaten-Künstler hinter die Fassade geblickt und nicht nur den Untermenschen hervorheben wollten.
Mittlerweile ist es klar, bei dem antiquarischen Buch handelt es sich um Kunst und Propaganda in der Wehrmacht, von Veit Veltzke, erschienen bei Kerber 2005 oder 2006.
Nach dieser fulminaten Vorgabe seitens SOGENTEBLX (so der Name desr User*in) bin ich neugierig geworden und möchte mehr davon kennenlernen als nur die Zeichnungen.
Obwohl die es in sich haben, hier eine Auswahl:



Gerade eben habe ich diese Zeichnung von Eichhorst an anderer Stelle im Netz wiederentdeckt. 2011 wurde ein Online Archiv aufgemacht mit einigen Münchener Ausstellungen von 1937 bis 1944. Da firmiert es unter dem Titel: Gefangenen Bolschewisten. Tja. Damit kommen ganz andere Töne durch. Das ist Täterjargon, der Gruppen mit einem Sammelwort benennt und abewertet. Der Bolschewist. Der Iwan. Der Russe. Neulich erst hörte ich: Ich kenne den Russen und ich trau ihm nicht so’n Stück! Sie stecken noch in uns drin, die alten Feindbilder samt den passenden Bezeichnungen.




