Nummer einundvierzig

Es ist bekannt, dass sich unser Diktator gern mit Flugbegleiterinnen einer der staatlichen Airlines trifft, um für ein hübsches PR-Foto Tee zu trinken. Der Tee ist überprüft, aber in den Hütchen der Flugbegleiterinnen befinden sich Kapseln mit starkem Schlafmittel. Sie überwältigen die Bodyguards, es sind sind nämlich alles in Salzburg und Riga ausgebildete Doppelagentinnen. Danach ab nach Den Haag. Natürlich mit dem Flugzeug, das sie eh begleiten würden.

Woraufhin der ehemalige Präsident eines anderen Landes twittert: Ihr seid alle solche looser. Lewser!

Nummer vierzig

Eine dunkelblaue Limousine fährt vor. Der Chauffeur steigt aus, öffnet die hintere Wagentür. Der Diktator steigt ein. Nichts besonderes, purer Alltag im Leben eines mittelmäßigen Despoten.
Wäre da nicht.

Es ist nämlich keine gewöhnliche Limousine, sondern ein Portal. Und die Straße keine gewöhnliche Straße, sondern ein Highway to Hell.
Niemandem von den Umstehenden fällt auf, dass der Chauffeur unter seiner Schirmmütze sehr hohe spitze Geheimratsecken hat und auch dämonisch grinst, als er die Tür hinter dem Tyrannen zuschlägt. Dieser ist so sehr in Gedanken vertieft, wie er die Welt zu einem schlimmeren Ort machen kann, dass ihm der Temperaturunterschied nicht auffällt, der zwischen der außenwelt und dem Inneren des Wagens herrscht. Das Fahrzeug beschleunigt rasant mit einem Aufheulen des Motors und verschwindet in einer Wolke aus Dampf und Schwefel.
Die weiteren Limos der diktatorischen Fahrzeugkolonne können nicht folgen und halten mitten auf der Chaussee an. Die Männer mit ihren schicken Anzügen und den Spiegelsonnenbrillen reden hektisch in die kleinen Mikros hinein, die neben ihren Wangen hängen.

Nummer neununddreißig

Oligarchen führen ein gefährliches Leben. Manche stürzen spontan aus dem Fenster, erleiden tödliche Unfälle oder Anfälle von erweiterten Suiziden. In den letzten Jahren haben mindestens acht dieser reichen und mächtigen Männer auf die seltsamsten Weisen ihr Leben verloren. Manche Zuhause, andere auf ihrer Datscha oder sogar im Urlaub in Spanien.

Einer der wenigen Oligarchen, die bisher nicht dieser suizidalen Welle zum Opfer gefallen sind, lädt den Diktator zu einem Wochenende auf seiner Datscha ein. Nur unter Männern. Sie hören den ganzen Vormittag Musik, dann reiten sie ein wenig aus. Das Kaminfeuer brennt. Obwohl draußen Minusgrade herrschen, reiten sie mit freiem Oberkörper und stürzen sich dann zum Winterbaden in den See. Etwas Abhärtung tut gut. Sie fühlen sich eins mit der Natur.

Am nächsten Werktag berichten die Zeitungen über noch einen erweiterten Suizidversuch. Diesmal kein Fenstersturz. Doch wie durch ein Wunder hat der Oligarch überlebt. Muss wohl eine unglückliche Verwechselung gewesen sein.

Nummer achtunddreißig

Sonderangebot! Nur noch bis zum 24. Februar

Antiaggressionstraining für Diktatoren

Grundkurs und Aufbaukurs für 50,- (Statt 666,-)
inkl. Audio-CD und Videolink

Wir bieten dir an, in einem 50 Schritte Programm, dein Selbstbild zu überprüfen, deine Handlungsweisen vielfältiger zu gestalten und somit auch deine Außenwahrnehmung zu verbessern.

  • Ertappst du dich zuweilen dabei, wie du auf männlich überzogene Art denkst, redest oder zuschlägst?
  • Hast du, um deine Macht zu behalten, bereits gestohlen, gelogen, Freunde und Familie verraten?
  • Klebt etwa Blut an deinen Händen?
  • Bist du vielleicht sogar ein Diktator? Ein Tyrann? Ein Despot?

Du musst es nicht bleiben. Komm zu uns!

Konflikte lassen sich auch anders lösen, als mit Spezialoperationen in benachbarten Ländern.
Du kannst es. Andere haben es auch geschafft.
Lass deinen inneren Diktator los.
Ein für alle Mal.
Es geht auch anders. Glaub uns. Es geht.

Es existieren auch andere Quellen, aus denen sich Selbstwert schöpfen lässt:

  • Singe ein Lied!
  • Schreibe ein Gedicht!
  • Sticke ein Alpenveilchen!
  • Tanze um Himmelswillen deinen Namen oder fliege mit den Kranichen (aber nein, das lässt sich ja gut mit der Durchführung einer genuinen Diktatur kombinieren, doch lieber nicht mit den Kranichen fliegen, vergiss es.)

Wir geben dir die Chance, dein despotisches ICH wie einen Handschuh abzustreifen und zu einem komplexeren, aber glücklicheren Menschen zu werden. Denn Ex-Diktatoren sind auch nur Menschen. Vielleicht. Wenn man sie lässt. Ex-Diktatoren haben auch ein Leben. Frag nur nicht, wie es aussieht.

Keine Sorge.

Unser Antiaggressionstraining tut nicht weh. Nur manchmal.

Zeit: Di und Mi, in den frühen Abendstunden. Und an allen anderen Tagen auch. Zu jeder Tages und Nachtzeit.
Ort: Büro der Karmapolizei, ehemaliges Hauptquartier von Gehlen, Pullach.
Telefonnummer geben wir nicht raus, sind ja nicht blöd. Auch ne Website existiert nicht, brauchst nicht zu suchen. Komm einfach zum vereinbarten Ort, du wirst schon sehen, was passiert …

Wir versprechen äußerste Diskretion.

Für dich tun wir das, ehrlich.
Für dich machen wir es sogar umsonst.

Komm.

Nummer sechsunddreißig

Eine Schraube. Ein kleines Schräubchen in seinem Leichtflugzeug, das an der entscheidenden Stelle locker ist. Und zwar, wenn *Vorname und Vatersname des betreffenden Diktators* das nächste Mal vorhat, mit den Kranichen zu fliegen.

Es war der Mechaniker. Ein Mann mit Gewissen. Einer, der nicht mehr aushielt, dass sein Land der Feind der halben Welt ist. Oder eher mehr als der halben, der ganzen Welt. Minus ein halbes Dutzend kleinerer und größerer Diktaturen. Und Kuba.
Ein Mann, den es stört, dass sich sein Diktator ein Nachbarland einfach so einverleiben will. In dem er behauptet, dass er unseren Brüdern in *Name der Republik I* und *Name der Republik II* zu Hilfe kommen will. Was Diktatoren seit Beginn der Aufzeichnungen immer behaupten.

Dieser alte Mechaniker ist sonst sehr zuverlässig, steht kurz vor der Pensionierung. Und er ist derjenige, der an der Schraube dreht. Natürlich wird man das untersuchen. Natürlich werden sie ihn schnappen, befragen, einkerkern, quälen. Was soll er schon preisgeben? Er ist nicht, anders als die Staatsmedien und einige *Name des Diktators kleingeschrieben*treue Medien andeuten, von dem *Geheimdienst einer westlichen Nation mit drei Buchstaben* angeheuert worden. Hinter ihm stehen keine mächtigen ausländischen Agenten, keine Drahtzieher, er handelt einfach so. Aus sich selbst. Er ist kein Trinker. Geschieden. Seine Enkel fangen bald an, zu studieren. Er selbst war Absolvent der Schule Nummer 38 in *Kreisstadt im äußersten Südwesten des Landes*. Später hat er seinen Ingenieur machen wollen am Institut der besagten Stadt, Luftfahrt oder sogar Raumfahrt, aber da kam das Leben dazwischen und er ist nur ein Mechaniker geblieben. Ein einfacher Handwerker, ein Schräubchendreher mit einer Vorliebe für Flugobjekte.
Nach langen und quälenden Nächten hat er sich zu diesem endgültigen Schritt entschlossen und an der entscheidenden Schraube gedreht.

Nummer fünfunddreißig

Die unwahrscheinlichste aller Möglichkeiten: Die NATO wird auf Druck der deutschen Linken aufgelöst (die ganzen offenen Briefe haben dazu beigetragen) und der Diktator sagt: „Oh, danke, Leute, nun fühle ich mich nicht mehr so bedroht. Ihr Pazifisten von der Linken seid immer schon mein heimlicher Crush gewesen, mehr noch als die eingebildeten Lackaffen von der AfD.
Übrigens, euer Bundeskanzler, seid ihr sicher, dass er nicht doch einen Naziopa hatte und dass ich euch nicht bei der Entnazifizierung eures Landes behilflich sein soll?“

„Also, was jetzt?“, fragt die Linke.

„Scheeerz“, sagt *Diminutiv des Namens des Diktators*, „wenn ihr wollt, nehme ich meine Friedenstruppen eben raus aus *dem von mir angegriffenen Nachbarland* und den anderen beiden Republiken, *Name1* und *Name2* und ziehe mich in meine Villa auf der *Halbinsel, die zu dem angegriffenen Nachbarland gehört* zurück, um Veilchen zu züchten. Hatte ich eh lange vorgehabt, nur die laufenden Geschäfte haben mich davon abgehalten. Vielleicht kommt ja auch mal ein Kranich vorbei, ich mag Kraniche, wisst ihr. Gewinnen mag ich auch. Aber egal. Der Klügere gibt ja bekanntlich nach.

Jetzt, wo die Nato fehlt, habe ich sozusagen keinen Voldemort mehr, gegen den ich kämpfen kann. NATO=Voldemort. Guter Vergleich, was? Ich bin dann mal weg und ihr regelt alles übrige, ja?“
Er macht sich auf, zu gehen, dreht sich noch einmal um:

„Und mein Kabinett, oder was davon übrigbleibt, könnte dann mal gucken, wer der nächste Herrscher werden soll. Vielleicht hat der, dessen Name nicht genannt werden darf, ja Lust? Nicht Voldemort, nicht was ihr wieder denkt. Wie heißt er gleich, euch kann ichs ja sagen, ihr kommt ja sonst nicht drauf, die hellsten Kerzen am Adventskranz seid ihr ja nicht gerade, sein Nachname fängt mit N an. Der Vorname mit A. Der kann euer nächster Diktator sein.“

Nummer vierunddreißig

Ein gepanzerter Stoßtrupp des landestypischen Geheimdienstes rückt ins Esszimmer/respektive Badezimmer/respektive Schlafzimmer des Despoten vor und setzt ihn fest. Er bleibt unter Hausarrest, bis seine Putschisten einen Putsch ausrufen, den Krieg mit *dem angegriffenen Nachbarland* beenden und selbst die Macht übernehmen. Wie langweilig ist das denn, eine Palastrevolte. Aber von den fünfzig Möglichkeiten hier, wohl die wahrscheinlichste.

Nummer dreiunddreißig

Der Diktator sucht sein wöchentliches Orakel auf. Weil er es eilig hat und in wenigen Minuten zu einem wichtigen Interview beim staatlichen Propagandasender sein will, werden an diesem Tag bloß schnell die Münzen geworfen. Die Orakelmeisterin ermittelt das Hexagramm Nummer 33:

Rückzug bringt Fortschritt. Das Unbewegliche (Berg) befindet sich unter dem Licht des Tages (Himmel).

Der Text ist an dieser Stelle sehr eindeutig:
„Genau wie das Leben seinen Rückzug aus der dunklen Stille des Winters vorbereitet, sollten Sie sich auf den Rückzug aus einer aufziehenden Dunkelheit vorbereiten, die Ihre Pläne durchkreuzen könnte. Sie verlassen nicht die Situation, sondern ziehen sich im richtigen Augenblick klugerweise zurück.“

Die bewegliche fünfte Linie ist sogar noch eindeutiger:
„Ziehen Sie sich freundlich, doch innerlich fest zurück. Ein Beharren auf dem Rückzug verspricht gutes Gelingen.

Die Linie führt zu dem Hexagramm Nummer 56:
„Reisen bringt Fortschritt in kleinen Dingen. Rechtes Beharren beim Reisen bringt Heil. Sie sind in dieser Situation ein Reisender.“
Sie blickt zu ihm hinüber. So deutlich hatte sich das Orakel in den letzten Monaten nie geäußert. Noch bevor die Meisterin den Text interpretieren kann, verschwindet der Despot zu seinem Termin.

Was soll er dagegen ausrichten? Das Orakel bescheißen? Die Orakelmeisterin irgendwie zum Schweigen bringen, das ginge noch. Aber das Orakel selbst? Keine Chance.
Dann eben Rückzug auf ganzer Linie.

Nummer zweiunddreißig

Begeben wir uns in die Vergangenheit. Es muss gar nicht so weit sein, sagen wir mal, etwas mehr als 50 Jahre. Da war unser Diktator Schüler in der Spez-Schule No. 281 in *zweitwichtigste Stadt des Landes*. Soweit man den Quellen trauen darf. Es kursieren mehrere Varianten über seine Kindheit und sein frühes Leben. Vielleicht aus Angst davor, dass ein Zeitagent kommen und alles verändern könnte?

Aber wir nehmen an, diese eine Geschichte ist die wahre und schleusen einen unserer Zeitagenten ein, der zufällig ebenfalls diese Schule besucht hat, nur ca. 15-20 Jahre nach dem besagten Diktator. Der Agent verfügt also über ausgezeichnete Orts- und Sprachkenntnis und muss sich nur in der Zeit zurechtfinden, nicht im Raum. Als örtlichen Komplizen geben wir ihm den Schüler an die Hand, dem der Diktator als 14-Jähriger bei einem Streit einmal das Bein gebrochen hatte. (Die Vorstellung einer überzogenen Männlichkeit hat also schon damals von ihm Besitz ergriffen. Vermutlich hatte er schon da mit der Kampfkunst angefangen, was ja an sich kein Beweis für toxische Männlichkeit ist, aber egal.)
Dieser Schüler mit dem gebrochenen Bein, nennen wir ihn Roma D., musste nicht groß davon überzeugt werden, mit unserem Agenten zu kooperieren. Da die Schule No. 281 eine Spezial-Schule mit einem naturwissenschaftlichen Schwerpunkt ist, könnten wir uns ein Szenario im Chemieunterricht vorstellen.

Ein herbeigeführter Unfall im Chemielabor, eine Explosion und der Weg des Diktators wird um eine Weichenstellung verschoben. Viel braucht es nicht. Nur so viel, dass er die Karriere beim *Geheimdienst mit drei Buchstaben* nicht mehr einschlagen kann, nicht mehr nach Ostdeutschland kommt, kein Bürgermeister der Stadt mit dem nördlichen Hafen wird.
Wenn alles nach Plan läuft, wird aus ihm höchstens ein mittelmäßiger Chemielaborant, der biologisch abbaubare Waschmittel für die Groß-Industrie entwickelt. Tenside und so. Oder er wird die Schule verlassen und macht etwas ganz anderes. Eröffnet eine kleine Kampfsportschule, beschäftigt sich mit Zenbuddhismus. Alpenveilchen wären eine Möglichkeit.

Also dann, schicken wir unseren Agenten in das Jahr 1969 als Schulhausmeister verkleidet in die Schule No. 281.

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