Ein Träumer mit offenen Augen

Was hat einer der bekanntesten deutschen Künstler des Jugendstils mit Russlanddeutschen zu tun?
Nun, er starb so wie viele von ihnen, in der Verbannung in der kasachischen Steppe. Vor genau 80 Jahren, im Juni 1942.

Noch gibt sich dandyhaft, Heinrich Vogeler als junger Mann

Der aus dem Bremer Bürgertum stammende Vogeler, um die Jahrhundertwende gefeierter Künstler des Jugendstils und einer der Begründer der Kunstkolonie Worpswede, wandelte sich nach dem ersten Weltkrieg zu einem glühenden Utopisten sozialistischer Ideen.

Nach 1919 nutzte er sein Haus in Worpswede für die Errichtung einer Kommune mit angeschlossener Arbeitsschule und einer Schule und einem Zufluchtsort für mehrere Dutzend Kriegswaisen.

Seit seinem Wandel ist sein Werk und Wirken eher unsichtbar – er ist zwar keine Persona nongrata wie noch zur Nazizeit, blieb aber lange Zeit ein Eisen, das man lieber nicht angefasst hat. Nicht so gefeiert und bekannt wie ein Rainer Maria Rilke oder eine Paula Modersohn-Becker. Mit denen er gut befreundet war. Er hat Rilke erst nach Worpswede geholt.

Liebe, Radierung, 1896

Nach einigen Reisen und Besuchen ist Vogeler 1931 endgültig in die Sowjetunion emigriert. Er war in Mittelasien Leiter der Propagandaabteilung und entwickelte monumentale Komplexbilder zur Glorifizierung des Sozialismus. Später war er bei einem deutschen Kolchos-Sowchos-Theate (auch Kollektivisten-Theater genannt) bei Odessa für die Herstellung von Puppen und der Kulissen zuständig. Die Landschaftsaufnahmen und Menschenskizzen, die er auf seinen Reisen in der gesamten Sowjetunion gemalt hat, sind großartig. Gekonnt und Modern. Weit weg vom Jugendstil oder Art Deco. Aber für das Regime sollte er soz-realistisch malen. Sogar die Komplexbilder wurden den Machthabenden im Kreml zu „bürgerlich-feudalistisch“.

So sieht ein von Vogeler gemaltes Komplexbild aus:

Kulturarbeit der Studenten im Sommer, 1924, 320 × 228.6 cm

Vogeler hat bis 1941 das Leben eines normalen deutschen Exilkommunisten geführt und sogar eine neue Familie gegründet. Doch dann wurde er von der sowjetischen Nomenklatura mit anderen Deutschen zu einer Sammelstelle gebracht und nach Kasachstan deportiert.

Am 30. September kam Vogeler nach einer langen beschwerlichen Reiseim Kolchos 1. Mai, Poststation Kornejewka, Bezirk Woroschilow, Gebiet Karaganda, Kasachische SSR an, wo er mit acht anderen in einem winzigen Zimmer hauste. Total verarmt und geschwächt, ist er fast 70-jährig im Sommer 1942 im Krankenhaus des Kolchos »Budjonny« gestorben.
Es gab vorher Versuche, ihn zu retten. Eine Freundin hat bei Molotoiv seine Rückreise nach Moskau erwirkt, aber er hatte kein Geld für die Überfahrt. Ein Freund schickte ihm Geld, aber auch das kam zu spät.

Melusine oder die Meerjungfrau war ein wichtiges Motiv bei Vogeler. Wandlerin zwischen den Welten. Wie er.

Es heißt, dass Wilhelm Pieck, ebenfalls kommunistischer Exilant in Moskau und der spätere Präsident der DDR, sich für ein einsetzen und ihn aus der Verbannung befreien wollte. Doch Vogeler habe abgelehnt. Einfach so.
Und zwar mit der Begründung, solange nicht alle Deutschen gleichbehandelt würden, käme das für ihn nicht in Frage.
Dieser Moment verquickt sein Leben noch einmal mit denen der verbannten Russlanddeutschen. Sogar mein Vater kann sich aus Erzählungen anderer an diesen Moment erinnern und erzählt es wie eine Heldengeschichte: „Einmal hat einer sich für uns eingesetzt. Einmal ist jemand für uns eingestanden.“

Betonung auf ein Mal.

War er wirklich so großmütig und wollte keine Sonderbehandlung? Würde zu einem Idealisten wie Vogeler schon passen.

Oder steckte was anderes dahinter? Es kann auch sein, dass er Pieck eine Absage erteilt hat, weil er nicht zugeben wollte, dass seine Idee, sein Traum in eine Sackgasse geraten war. Dass sein gerechter großartiger Staat nichts anderes war als eine menschenverachtende Diktatur. Es wäre ein Einknicken, ein Aufgeben seines Traums von einem idealen Leben gewesen, wäre er zurückgegangen, eine persönliche Kapitulation. Hat er deswegen lieber den Tod gewählt?

Das ist bisher jedoch reine Spekulation. Ich möchte seine Erinnerungen lesen. Seine erste Frau Martha Vogeler hat in Worpswede ein Archiv mit seinen Schriften anlegen lassen. Aber sind die letzten Erinnerungen aus Kasachstan auch dabei? Ich würde gern wissen, ob Vogeler bis zum Schluss an seinen Idealen festgehalten hat oder ob es ihm klargeworden ist, dass zumindest zu dieser Zeit und in diesem Land die von ihm erträumte Utopie nicht Wirklichkeit geworden ist?

Sein künstlerischer Stern am Jugendstil-Himmel, seine Rezeption im Nachkriegsdeutschland ist bald verblasst.

Es gab zwar Ausstellungen seiner Werke, unter anderem 2016 in Kasachstan, Theaterstücke (zum Beispiel 2008 unter der Regie von Tankred Dorst) und Bücher, die meisten antiquarisch zu erwerben. Dennoch ist er nicht so präsent in unserer Kulturwelt, wie andere Worpsweder Künstlerinnen und Künstler. 2015 wurde in Karaganda außerdem ein Gedenkstein eingeweiht, in Kooperation mit der dt. Botschaft, dem Verein Barkenhoff-worpswede und der russlanddeutschen Vereinigung „Wiedergeburt“, die seit den 1960er Jahren aktiv ist.

Gedenkstein Heinrich Vogeler in Karaganda, 2015 eingeweiht


Sein Schattendasein ändert sich aber auch hierzulande, im Mai kommt eine Doku über Vogeler in die Kinos. Außerdem ist in Worpswede ab dem 27. März diesen Jahres eine Sonderausstellung zu seinem Schaffen anlässlich seines 80sten Todestages entstanden.
Der Besuch lohnt sich bestimmt: https://www.worpswede-museen.de/barkenhoff/heinrich-vogeler.html

Der Trailer zu der Doku: „Heinrich Vogeler – Aus dem Leben eines Träumers“ Kinostart: 12.05.2022

Dieses Filmchen ist ein bisschen ausführlicher, 6 Minuten mit Trailer am Schluss



Und von wegen, es ist bis heute nicht bekannt, wo er begraben liegt. Steht so bei Wiki. Wirklich.

Aber Fakt ist, dass Worpsweder Bürger seit Anfang der 90 immer wieder nach Kasachstan gereist sind, um nach Vogelers Spuren zu forschen. Dort haben sie mit Hilfe einer Pflegerin, die ihn damals im Krankenhaus betreut hat, seine Grabstelle auf dem Friedhof des Dorfes Choroshewskoje ausfindig gemacht und ließen ein großes Holzkreuz errichten.

So vielfältig und scheinbar widersprüchlich waren seine Stationen. Düsseldorfer Kunstakademie, Worpswede, Moskau, Taschkent, Odessa, Karelien, und schlussendlich Kornejewka bei Karaganda. Der die Märchen Oscar Wildes illustriert und später markige Arbeiter-Sprüche eines Johannes R. Becher in Form gebracht hat?

Er, der befreundet war mit Rilke oder Modersohn-Becker.
Der Kunst und Leben verquicken wollte, neu gestalten in all seinen Ausprägungen, vom Aufbau eines Hauses bis zu kleinsten Details. Da war der Aufbau einer utopischen Gesellschaft doch nur konsequent.

Der sich in jungen Jahren wie ein Dandy und Romantiker gab und dann zu einem asketischen Kommunisten wurde, der mit anderen wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit in der Verbannung wiederfand. Bei Wiki steht tatsächlich, er wäre „1941 evakuiert worden. Und starb im sowjetischen Exil“.

Es ist immer wieder erschreckend, wie gern dieser Teil der Geschichte übersehen oder nicht zur Kenntnis genommen wird.

Es wird Zeit, dass Vogeler in der kulturellen Landschaft endlich, den Platz einnimmt, der ihm gebührt. Als visionärer Träumer und als unermüdlich kreativer Künstler. Nicht nur als Liebling des Bürgertums und Begründer des deutschen Jugendstils.


Unsere kleinlauten Momente

MEINS!, so heißt ein Band mit Erzählungen, das die Autorin Ida Häusser kürzlich herausgebracht hat. Ursprünglich sind einige der Texte in einem Kurs für autobiografisches Schreiben entstanden, doch sind sie weit mehr als bloße Schreibübungen. Vor uns breitet die Autorin erzählerisch gekonnt ihre Kindheit und Jugend im Norden Kasachstans aus, in Aktjubinsk, „einer aufstrebenden Industriestadt am Fuße des Uralgebirges, das bekanntlich Europa und Asien trennt.“

„Aufgewachsen: zwischen mehreren Kulturen, oben die offizielle sozialistische des Kindergartens und der Schule, mit auswendig gelernten Parolen, darunter, in unserer jungen Siedlung, ein Nebeneinander der sowjetischen „Brudervölker“, mit Menschen unterschiedlichster Nationalitäten, Ethnien, Überzeugungen und Stände; Russen, Kasachen, Griechen, Polen, Juden, Koreaner. Menschenmassen, die wie von einer übermächtigen Hand in diese einsame Gegend gesetzt wurden. […]

Und inmitten all des Durcheinanders die dritte Kultur, der heimliche deutsche Kokon – daheim.
[…]

Parallelwelten. Mehrfach parallel.“
S.11

„Meins!“ so lautet der Titel dieses Bändchens. Doch es ist ein stückweit nicht nur „ihrs“ es ist auch „meins“ oder genau genommen: „unser“. Die beschriebenen Themen kennen wir, die wir aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion gekommen sind, nur zu gut. Die Gerüche, die Worte, die Wege und die Schikanen haben sich in anderen russlanddeutschen Familien genau so oder so ähnlich abgespielt. Einiges ist wiedererkennbar, vieles nachvollziehbar.
Worte wie Loskutiki oder Taburetka oder Motozikl.
Tanten, die Mädchen Ratschläge geben. Oder auch diese kleinen süßen Äpfel, die es hier bei uns nicht gibt. Schwärmereien über diese Äpfelchen habe ich in der russlanddetuschen Community schon vielfach gehört und gelesen. Ranetki heißen sie.

Auch über das weitverbreitete Vergnügen sowjetischer Mädchen,   Bonbonpapierchen unter Glasscherben zu verstecken, habe ich bereits hier auf dem Blog geschrieben. Als Kinder, als Mädchen haben wir ebenfalls Sekretiki gespielt, nur einen Tick anders. Auch dieses Spiel kommt in dem Büchlein vor.

In 21 Kapiteln reiht die Autorin lose zusammenhängende Erinnerungsfragmente aneinander und bringt sie in einen Bezug zu ihrem jetzigen Leben. Dennoch ist da keine Ostalgie spürbar, pragmatisch und mit viel Liebe für die Menschen zeichnet sie das Bild der damaligen Zeit. Sie beschreibt ihre ersten Erinnerungen als ein Leben in einem Kokon, wo das Russische sich draußen abspielte und das Deutsche innen. Sie spielt mit Vergleichen und verbindet konkrete Erinnerungen mit Überlegungen über den Aspekt der Heimat oder die Geschichte ihrer Familie.  Ida Häusser befördert Fragmente ans Tageslicht, die unser Gedächtnis nach hinten geschoben hat. Manche Anekdoten erinnern an ein sozialistisches Bullerbü. Sie handeln davon, wie die Kinder selbst gezogene Radieschen auf dem Markt verkaufen oder ein ausrangiertes Schaukelpferdchen heimschleppen, das später beim Brüderchen unterm Weihnachtsbaum landet.

Es sind eben nicht nur sehnsüchtige Erinnerungen an eine unbeschwerte Zeit, wunderbar leicht erzählt, sondern in die Tiefe gehende Momentaufnahmen aus einer verschwundenen Zeit. Es gelingt der Autorin ebenfalls, auf leichtfüßige Weise, die tragische Geschichte hinter den Geschichten zu erzählen, ohne wehleidig zu wirken und ohne anzuklagen.

Meine Mutter sagt immer Wald, wenn sie mit ihren Geschwistern über ihre Kindheit in Archangelsk spricht, auch heute noch. Wie ein Code-Wort. Nie Verbannung oder Sondersiedlung. Gelegentlich sagen sei vielleicht noch Sibirien, wenn sie mit anderen darüber sprechen. Aber untereinander sagen sie immer Wald. Wald, und schon ist alles gesagt.“
S 87

Kulturelle Mißverständnisse ziehen sich durch die Geschichten ebenso wie das Bestreben der kleinen Ida, ihren Weg zu finden. In einem der ersten Kapitel, die sich auch wie kleine abgeschlossene Geschichten lesen lassen, geht es um diese kleinen Äpfelchen, wie sie nur in asiatischen Ländern wachsen und vielleicht noch in Sibirien. Eingebettet ist diese Erinnerung in Überlegungen zum Thema Herkunft und Heimat, deren Aneignung und Verlust:

Ich hatte doch einen Platz, wo ich mich geborgen fühlte, das war im Aktjubinsk meiner Kindheit. Unter unserer Ranetka. […] Mein Vater pflanzte sie in dem Dreieck zwischen den Eingangsstufen zum Haus, dem Durchgang zur Garage und dem Weg zur Sommerküche. […] Ich stellte mir eine Klappliege darunter und schaute den Äpfelchen beim Reifen zu. Auf den Boden daneben legte ich eine alte Zeitung und darauf einen Berg Ranetki, nahm ein Buch in die Hand und tauchte ab.“
S 25

In Deutschland versucht sie dieses Gefühl wieder hervorzuholen und diese Apfelsorte in Baumschulen und Gärtnereien ausfindig zu machen. Bisher vergeblich.

Die letzte Geschichte, die mit den Tulpenfeldern in der Steppe, handelt vom Abschied. Die blühende Steppe ist die letzte Erinnerung der Autorin an ihr Leben in Kasachstan.

Ein gewisser Stolz schwingt in dem Titel des Buches mit, nicht nur über die kreative Umsetzung, sondern im Sinne von: das ist meine Geschichte und ich stehe dazu.
Es gelingt ihr, kleine Momente einzufangen und sie in einen größeren Zusammenhang zu setzen. Sie fragt sich an einer Stelle, ob es nicht die „kleinlauten Momente“ sind, die sich uns besser einprägen. Kleinlaut würde ich diese Fragmente nicht nennen, eher leise aber eindringlich. Sie haben es verdient, sich Raum zu verschaffen und gelesen zu werden. Vielleicht verhelfen sie auch anderen zu einem Tauchgang in die Vergangenheit.

Im Grunde vollführt Ida in diesem Band dasselbe, was ich in diesem Blog seit Jahren versuche, aber statt Scherben sind es bei ihr Loskutiki, kleine Stofffetzen, die sie sorgsam aus dem Nebel der Erinnerung birgt und zu Geschichten verarbeitet. Ich gratuliere der Autorin zu diesem Debut und wünsche ihr, dass sie in Deutschland, oder auch in den Nachbarländern eine Baumschule findet, die ihre Ranetka aus Aktjubinsk kultiviert und verkauft.



Ida Häusser
Meins!, Erzählungen über eine Kindheit im Norden Kasachstans
ISBN-13: 9783744838740

120 Seiten, Books on Demand, 6,99 €, portofrei

Musikalischer Einschub: Karaganda-Kosmos

Wenn ich schon über Karaganda schreibe, dann darf ein Lied nicht fehlen. Es ist ein Chanson von Veronika Dolina über die Ausreise der Deutschen aus Kasachstan. Den Verweis darauf habe ich auch bei Ulla Lachauer gefunden.

Die Singer-Songwriterin Veronika Dolina, Anfang der 50ger in Moskau geboren, hat dieses Chanson bereits 1990 geschrieben. Und den Abschiedsschmerz der Aussiedler auf eine unnachahmliche Weise eingefangen. Lufttransport heißt es. Karaganda-Kosmos ist eine Line daraus. Wie treffend.

…Goethe hat sie vergessen, Rilke hat sie im Stich gelassen, sie lernten Russisch, Kasachisch… Karaganda–Frankfurt, Karaganda–Kosmos…

Hier die Originalversion gesungen von Veronika Dolina:

Hier ist ein Video von einem Dmitrij Sirotin von einigen Tagen ins Netz gestellt:

Ich habe es mit meinen Worten übersetzt, weil ich keine Übersetzung im Netz gefunden hab. Einfach so wortwörtlich, ohne Reim, ohne Rhythmus. Aber wenn ich es im Original höre, warum muss ich, min Cherz, weinen?

Воздушный транспорт – Lufttransport

Этот воздушный транспорт,
Тот равнодушный голос,
Караганда-Франкфурт –
С полюса на полюс.

Hier ein Luft-Transport,
Dort eine gefühllose Stimme,
Karaganda – Frankfurt –
Von einem Pol zum andern

Женщины, дети, старцы,
Рвутся в свою Итаку,
Страшно, мин херц, страшно,
Хоть и не по этапу.

Frauen, Kinder, Alte
Erstürmen ihr eigenes Itaka
ich fürcht mich, min Cherz*, ich fürchte mich
Auch wenn es nicht in die Verbannung geht
* im Original auf Deutsch gesungen.

Птичий язык вьётся
В детском чумном крике,
Их позабыл Гёте,
Бросил в беде Рильке.

Der Schrei eines Vogels ertönt
aus wunder, Kinderkehle
Goethe hat sie vergessen
Rilke hat sie in ihrem Leid alleingelassen.

Выучили казахский,
Выучили б ненецкий,
И всё это по-хозяйски,
И всё это по-немецки.

Sie erlernten das Kasachische
Sie würden auch die Sprache der Nenzen lernen
Alles tun sie wie von zuhause
Alles tun sie auf deutsche Weise

Бледные эти маски,
Скудные эти тряпки
Надо бы сбросить в Москве
На шереметьевском трапе

Bleich sind ihre Gesichter
Ärmlich sind ihre Lumpen
Man müsste sie eigentlich abwerfen
Auf der Landebahn vom Scheremetjewo

И прочитать победно
Буковки на билете.
Жили темно и бедно,
Но всё же рождались дети.

Man müsste siegesgewiss
die Buchstaben auf dem Ticket lesen.
Haben dunkel und ärmlich gelebt,
Dennoch wurden Kinder geboren

Смолкнет дурная брань, хоть
Щёлкает ещё таймер,
Караганда-Франкфурт –
Пусть улетит лайнер.

Das dumme Gekeife verstummt, nur
das Ticken der Uhr ist zu hören
Karaganda – Frankfurt
Der Jet soll endlich abfliegen

И хоть я держусь в рамках,
Но сбился и мой компас:
Караганда-Франкфурт,
Караганда-космос.

Und auch wenn ich mich zusammenreiße
ist mein Kompass vom Kurs abgekommen:
Karaganda – Frankfurt,
Karaganda – Kosmos.

Out of Karaganda

‚Ritas Leute‘ ist ein Dokuroman der Journalistin Ulla Lachauer von 2002. Karaganda und Kehl sind nur zwei der vielen Stationen der Familie Pauls, die mit dem Strom der Aussiedler nach Deutschland kommen. Die Autorin lernt die Studentin Rita Pauls Anfang der Neunziger kennen und mit ihr eine ihr fremde Welt und ein unbekanntes Stück deutscher Geschichte. Sie beschließt, die Lebenswege der Familie zurückzuverfolgen und darüber einer breiten Öffentlichkeit zu berichten. Lachauer wohnt Familienfesten bei, begleitet Rita, wenn diese als Sängerin auftritt und unterhält sich mit deren Großmutter. Die Journalistin besucht die russlanddeutsche Familie aber nicht nur in Kehl sondern reist mit Rita zu den Orten, die für die Familie von Bedeutung sind, darunter Karaganda in Kasachstan oder das ehemalige deutsche Dorf Lysanderhöh.

beautyful Karaganda at its best

In der ersten Hälfte war ich begeistert von Ulla Lachauers Buch. Es ist gut recherchiert und nah an den Menschen erzählt. Das einzige, was ich ihr vielleicht vorwerfen kann ist, dass sie die Familie Pauls zwar nicht direkt vorführt, aber als befremdliche  Exoten darstellt. Ihr Zugang zu unserem Thema erfolgt aus der Distanz, ist aber nicht despektierlich, dachte ich zunächst.

Und so früh, also schon Mitte der Neuziger hatte sich hier im Westen niemand so richtig für uns interessiert, dann kommt sie und begleitet eine junge Frau aus russlanddeutscher Familie in die verschiedenen Sphären ihrer Familiengeschichte. Nach Kasachstan in die Ukraine, nach Sibirien und auch nach Kanada.

Anfangs gibt es eine kurze Episode über den russischen Begriff Knochen waschen. (Мыть кости/косточки). An einer Stelle sagt Rita, sie war mit einer Freundin unterwegs, sie hätten „Knochen gewaschen“. Das ist eine russische Wendung und bedeutet so etwas wie Lästern, über jemanden herziehen. Im Deutschen gibt es eine ähnliche Redewendung: sich bis auf die Knochen blamieren.

Beim Lesen beschleicht mich der Eindruck, dass es keine echte Dokumentation ist, denn dafür positioniert sich die Autorin zu gern selbst zu den Neuankömmlingen und ihrer Lebensart. Sie bleibt nicht neutral und eigentich ist es ein Buch über sie selbst. Lachauer kann sich einfach nicht verkneifen zu urteilen und kann sich nicht in die Lage der Familie versetzen. Da ist Empathie, aber wir bleiben das für sie: unbegreifliche Fremdlinge. Aber ist es ein echtes Knöchelchen waschen? Wohl eher auch nicht.

Sie hat natürlich ein Recht darauf ein persönliches, nicht neutral beobachtendes Buch zu schreiben. Aber sie macht sich auch nicht die Mühe, Schlüsse zu ziehen, zwischen dem was diese Menschen erlebt haben und dem, wie sie drauf sind.

Zwischen der Autorin und ihren „Objekten“ tut sich immer mehr eine Kluft auf. Beispielsweise äußert sie sich fast beleidigt über das Desinteresse der russlanddeutschen Familie am Fall der Berliner Mauer 1989. Sie leben in ihrem eigene Universum und nehmen kaum Notiz davon. Das verübelt sie Ihnen sehr.
Erst habe ich es nicht glauben, dann nicht wahrhaben wollen, aber es ist so, bis heute: der dramatische, unblutige Zusammenbruch der Nachkriegsordnung ist für sie nebensächlich! Darin liegt – für mich – die schockierendste aller Fremdheiten zwischen den Pauls und mir. […], dass sie das Überwältigende, mit dem sie existenziell durch ihre Ausreise, verbunden sind, nicht mitdenken und mitempfinden können. Ich werde mich an diesen Herbst 1989 zeitlebens nicht ohne Herzklopfen erinnern können. S. 238

So what, sind die Pauls nicht erst 1989 ausgewandert? Dann haben sie sicher andere Sachen im Kopf gehabt als den Fall der Mauer. Und ich erinnere mich, politisch haben wir in der ersten Zeit auch wie unter einer Glocke gelebt. Nicht wie mündige Bürger, die sich aus Zeitung und TV über das Weltgeschehen informieren und es vor allem ständig kommentieren. Es wurden Manty gemacht. Es wurde sich getroffen. Deutschkurse besucht. Sich an die Bürokratie gewöhnt. Auch unsere Welt war überschaubar und schloss globale Ereignisse von weltbewegender Bedeutung aus.

An einer anderen Stelle fragt Lachauer, welchen Bezug die Russlanddeutschen zur Heimat hätten. Und wenn, dann wäre deren Heimat doch eindeutig an der Wolga. Was eher naiv und kurz gedacht ist und nicht für alle zutreffen kann. Diese und andere Bemerkungen führen sicher nicht dazu, dass dieses Buch von der community akzeptiert wird.

Vor Jahren muss ich das Buch schon einmal gelesen haben. Ich erinnere mich an die Bilder. Jedoch konnte ich damals mit dem Inhalt wohl nicht so viel anfangen. So lese ich es dieses Jahr wie zum ersten Mal. Gut, es ist überarbeitet, aber die Ausgabe von heute ist identisch mit meinem Taschenbuch von 2002.

Ich finde den geschichtlichen Rahmen, das Forschen nach der Verwandtschaft und was sie an den Orten wiederfinden höchst aufschlussreich. Vieles davon war selbst mir unbekannt.
Einiges war mir geläufig:

Die ersten Karagandiner waren Erdmenschen …S.129

Das soll bedeuten, die Verbannten, nicht nur Deutsche, wurden in der Steppe ausgesetzt, ohne Häuser, ohne Zelte oder Baracken. Sie haben sich Erdhütten gebuddelt und die erste Zeit unter der Erde gelebt.

So beschreibt sie die Entstehung und Entwicklung der Stadt Karaganda, die Zivil- und Kriegsgefangene in der kasachischen Steppe praktisch aus dem Nichts heraus gestampft haben. Sie lässt die Großmutter aus der Zeit nach der Revolution erzählen und vermittelt mir ein reiches Bild in einer deutschen Siedlung in diesen bewegten Zeiten. Vieles ist gut beobachtet, bis in die abweichenden Redewendungen und andere Sprachliche Blüten Ritas und ihrer Sippe.

wir sind anders – und unsere Tomaten auch. Karaganda

‚Karaganda‘ ist übrigens auch eine Tomatensorte. Im Buch geht es viel um Tomaten von dort. Ritas Mutter schafft es, eine Fleischtomate aus Kasachstan in Kehl heimisch zu machen.

Wie gesagt spätestens ab der Mitte des Buches, blieb beim Lesen ein schaler Nachgeschmack zurück. Besonders in der Art, in der sie uns als Gruppe bewertet. Distanziert freundlich, aber wie etwas gänzlich Fremdartiges. Wie Käfer in einem Reagenzglas.

Schon auf Seite 16 schreibt die Autorin über die „russische Nachtigall“, wie sie Rita nennt:

Bei aller Zuneigung blieb eine gegenseitige Scheu, das Bewusstsein des Ungewöhnlichen. Mein Mann und ich waren die einzigen „richtigen Deutschen“, mit denen Rita und Irene [eine Freundin] verkehrten. Sie waren die einzigen Russlanddeutschen, mit denen wir verkehrten.

Dabei beteuert Lachauer bei einem Interview in der Vereinszeitschrift der Landsmannschaft im Jahre 2004, sie möchte folgendes weitergeben, nämlich‚ dass es DIE Russlanddeutschen nicht gibt, sondern eine ungewöhnliche Vielzahl von Herkünften, Verhaltensweisen in der Sowjetzeit, Ausreisemotiven etc. Warum sie zu uns gehören, obwohl sie fast 200 Jahre in russischen Kontexten gelebt haben und viele die Sprache und Kultur ihrer deutschen Vorfahren verloren haben. Es geht darum, sich ganz konkret vorzustellen, was den Deutschen dort in der Stalin-Zeit widerfahren ist.‘

Sie plädiert für mehr ‚Verständnis für das Leben unter dieser östlichen Diktatur, den Alltag z.B. in einem Kolchos. Und natürlich sind solche Defizite nicht von heute auf morgen zu bewältigen, das ist eine Riesenherausforderung, das dauert, man braucht viel Geduld.‘

Um im selben Jahr genau diese Vereins-Zeitschrift in einem Artikel in DER ZEIT so vorzuführen: Im redaktionellen Teil von ‚Volk auf dem Weg‘ – der Titel nimmt Bezug auf die historische Wanderschaft – geht es um anderes. Im Wesentlichen um drei Punkte: 1. Wir sind deutsch! 2. Wir haben gelitten! 3. Wir bringen mehr ein, als wir kosten! Allmonatlich dieselbe Litanei, manchmal zornig, manchmal auch wie ein Schrei. Alles ist richtig und zugleich wirklichkeitsblind.

Sie scheint eine der wenigen zu sein, die diese Rückwärtsgewandtheit und das Pochen auf die nationale Zugehörigkeit so früh kritisiert hatte, die der LmDR und vielen ihrer Landsmänner eigen ist.  Was stört mich daran? Auch mich befremdet das ewige Pochen auf die nationale Zugehörigkeit und ich habe die ewige Opferrolle ebenfalls satt.

Aber es ist wohl nicht ganz so einfach. Außerdem sind in der jüngeren Generation andere Themen und andere Befindlichkeiten aufgetaucht. Die Beobachtungen von 2004 treffen nicht mehr in allen Punkten zu.

Als ich meinem Vater mein Exemplar des Buches zu lesen gab, hat er sich doch sehr aufgeregt über die Überheblichkeit der West-Autorin. Er fühlte sich schlicht verkannt. Nicht alle seien so, wie sie sie beschreibt. Das waren seine Worte. Sie hat sich eine einfach Familie herausgepickt, die auch in der Sowjetuinion unpolitisch war und erwartet, dass sie sich für so ein Ereignis wie die Wiedervereinigung mehr interessieren als die Setzlinge in ihrem Garten.

Auf jeden Fall ist das Buch ‚Ritas Leute‘ wohl eher nichts für die ältere Generation. Aber eine ausführliche Einführung in die Wanderungen der Russlanddeutschen und ein Bild davon, wie es war, als so viele von ihnen Ende der Achtziger/Anfang der Neunziger nach Deutschland gekommen sind. Gefahr eines zu hohen Blutdrucks!

Die Pauls sind mit Häuschen und Garten, mit Oma und russischem Tante-Emma-Laden sicher eine Vorzeigefamilie. Was wäre passiert, wenn ich 1993 eine Autorin wie Ulla Lachauer getroffen und die sich für unsere Geschichte interessiert hätte? Welche Knöchelchen hätte sie bei uns gefunden?

Und was Rita Pauls betrifft, ich würde ja gern wissen, was sie heute so macht. Ihre digitale Spur verliert sich nach 2012. Ich würde sie fragen, wie sie das empfunden hat, dass Ulla Lachauer so über die Familie geschrieben hat. Das Verhältnis zu der Journalistin scheint seit 2004 sichtlich abgekühlt, sie hat sich anderen Themen zugewandt – nicht mehr über uns Erdmenschen geschrieben. Ob Rita immer noch singt?

Ulla Lachauer

Ritas Leute

Eine deutsch-russische Familiengeschichte

Rowohlt Verlag, Reinbek 2002
ISBN 9783498039103
Gebunden, 432 Seiten, 19,90 EUR

Ein paar eingeritzte Buchstaben

Zwei unbeholfen eingeritzte Buchstaben auf einem Klappmesser deuten auf ein Geheimnis hin, dem die Protagonistin von Eleonora Hummels Roman „Die Fische von Berlin“ auf die Spur kommt.

Familie Schmidt lebt in Kasachstan und steht kurz vor der Ausreise nach Deutschland. Ihre jüngste Tochter Alina verbringt viel Zeit mit ihrem Großvater, mit dem sie ein besonderes Band verbindet.

„Was hast du mit dem Großvater zu tuscheln?“ fragte Großmutter mit ihrer erzieherischen Stimme.
„Wir tuscheln nicht. Er erzählt mir von seiner Jugend.“
„Von seiner Jugend gibt’s nichts zu erzählen.“

Doch Alina lässt nicht locker und erfährt nach und nach, was es mit den Fischen von Berlin auf sich hat und welches Familiengeheimnis sich hinter dem Messer verbirgt, das der Großvater stets bei sich trägt. Sie taucht tief in die Odyssee ihrer russlanddeutschen Familie ein. Dabei findet sie ein Fotoalbum auf einem Dachboden und beobachtet, wie sich ihre Schwester von einem Fastmatrosen den Kopf verdrehen lässt.

Berlin: Angler an der Friedrichsgracht. Foto: Rudolph 21.4.1949

Aufreihen von Tatsachen oder künstlerischer Ausdruck?

Eleonora Hummels Romandebüt von 2005 kommt daher wie ein autobiografischer Bericht. Aber anders als viele Bücher der Erinnerungs- und Erlebnisliteratur hat die Autorin ein Werk geschaffen, das eigenständig ist und sich über die reine Erfahrung erhebt.

In einem Interview von 1979 spricht Regisseur Andrej Tarkowskij darüber, welchen Einfluss die Kindheit auf das Leben eines schöpferischen Menschen haben kann. Dass es eine wichtige Erfahrung ist und dass eine intensive Kindheit ausreicht, um Stoff für viele Werke zu bilden. Er sagt aber auch, dass es keine Kunst sei, die Erlebnisse eins zu eins zu erzählen. Sie brauchen ein transformatorisches Moment, eine Verdichtung in der Sprache oder eine Form, die aus der erlebten Geschichte einen Film oder einen Roman macht.

Der Autorin gelingt genau das. Sie benutzt die Familienanekdoten, die sich in den Schicksalen der Deutschen aus Russland in vielen Punkten gleichen und macht etwas daraus, das über das Offensichtliche hinaus geht.

Manchmal habe ich den Eindruck, unsere Leute sind getrieben, die schweren Schicksale in Worte zu kleiden, damit die Erinnerung nicht verlorengeht. Es ist wie ein innerer Auftrag und diese Autoren und Autorinnen fangen oft mit der Geschichte der eigenen Familie an. Aus der Aneinanderreihung von echten Erlebnissen und Anekdoten entsteht dann häufig nicht mehr als eine ausführliche Familienchronik. Viele dieser Bücher wirken so, als seien sie aus einer Opferhaltung geschrieben, sie verzichten nicht auf ein gewisses Selbstmitleid oder haben einen vorwurfsvollen Ton. Was hier angeklagt wird, das Schicksal oder die ignorante Leserschaft, kann man nicht immer deuten.

Der Roman von Eleonora Hummel steht in angenehmen Konstrast zu diesen Erlebnisbiografien, die zweifelsohne ihre historische und therapeutische Berechtigung haben.

Sie schafft es, in ihrem Erstlingswerk Dinge auszusprechen, die oft schwer auszuhalten sind. Es ist schon harter Tobak, den sie wenn nicht direkt leicht, aber in einer schnörkellosen Sprache leichthin erzählt. Sie verdichtet viel und bereits hier ist ihr typischer, lakonisch-zielsicherer Stil zu spüren. Eleonora Hummel beherrscht die Kunst der Andeutungen, kann vieles ungesagt lassen oder zwischen den Zeilen verstecken. Mit Auslassungen und kühlen Untertreibungen lässt sie uns die Zeit dennoch in ihrer ganzen Härte spüren.

Hier einige Erinnerungen von Alinas Großvater in der Zeit des zweiten Weltkrieges:

Mutter erschien mir so klein und zart in ihrem schwarzen Kleid, dass ich nicht wagte, sie in den Arm zu nehmen. Wir nahmen uns nie in den Arm. Im Dorf hatte man andere Dinge zu tun. S 120

Hinter ihr stand meine Schwester, die die Frau eines Volksfeinds war. Sie legte ihr schwarzes Kopftuch zusammen, das gefaltet aussah wie die Flügel eines Raben. S120

Bevor ich zum Mobilisieren ging, gab ich Mutter die paar Münzen, die noch in meiner Hosentasche waren. „Nimm sie für eine neue Kuh“, sagte ich. Sie stand regungslos da, ich drückte ihre Hand auseinander und legte die Münzen hinein. So blieb sie stehen, die Münzen in der offenen Hand und neben ihr der kläffende Hund, den man ihr statt der Kinder gelassen hatte. S121

Von der Thematik, von der geschichtlichen Verankerung hat es ein wenig mit dem Roman „Die Köchin von Bob Dylan“ von Markus Berges gemein. Sprachlich besitzt das Buch eine ganz eigene Kraft und auch die Umsetzung unterscheidet sich. Es ist deutlich zu merken, dass da nicht eine Schriftstellerin aus der Distanz ein Thema betrachtet, das sie sorgsam in Archiven recherchiert hat oder aus Erzählungen kennt. Sie hat das sowjetische Schulsystem selbst erlebt und kennt Menschen und Gegebenheiten aus persönlicher Erfahrung.

Die Autorin pickt beispielhaft die Geschichte einer deutschen Familie aus Russland aus. Letztendlich ist es aber unser aller Geschichte. Sie hätte so zumindest sein können. Es ist ein schwerer Stoff, der leicht mit knappen, treffenden Worten ohne viele Schnörkel erzählt wird. Das nimmt ihm zwar nicht seine Tragik, ermöglicht es uns aber das Erzählte überhaupt aufzunehmen. Hin und her Getriebene Menschen. Das Schweigen der Älteren. Das alles kennen wir Deutschen aus Russland nur zur genüge. Und auch lang verschüttete Geheimnisse, die aus heiterem Himmel auftauchen, weil sich jemand plötzlich erinnert.


Eleonora Hummel

Die Fische von Berlin
Steidl Verlag, Göttingen 2005
223 Seiten, € 18.00

Spruch der Woche

Tha Master Himself
Liebte provokante Thesen: Laotse

Eine Zugehörigkeit ist dann gegeben, wenn ein Element einer Menge von Gegenständen mit einer bestimmten konstanten Eigenschaft zugeordnet werden kann, ohne dass alle Eigenschaften der Elemente der Menge gleich sein müssen. (A)

Laotse (6. Jhdt. nach Chr.)

Wenn wieder mal jemand zu dir kommt, der sagt, wie kannst du ein Deutscher sein, du bist doch in Kasachstan/im Kaukasus/in Sibirien geboren, dass lächele ihn weise an und antworte ihm mit genau diesem Satz.

Denn das, was Longzi oder Laotse da so elegant formuliert, führt zu dem Schluss, dass ein Russlanddeutscher sich natürlich zu den Deutschen zählen kann, auch wenn ihm 250 Jahre an gemeinsam erlebter Kultur und gemeinsamer Geschichte fehlen. Und auch die Sprachkenntnisse müssen, dieser schönen Definition nach, nicht identisch sein. Hauptsache, es sind hinreichend Eigenschaften gegeben, die sich gleichen. Und das tun sie auch.

In Wirklichkeit ist das alles viel, viel komplexer. Aber das kann man wieder nicht so schön in einen Satz packen.  Denn das war nur der erste Teil des Lehrspruchs.  Die Antithese lautet:

Zugehörigkeit ist nur dann gegeben, wenn ein Element einer Menge von Gegenständen nur dann zugeordnet werden kann, wenn alle Eigenschaften der Elemente gleich sind. (B)

Wird die Schlussregel A angewandt, so ist ein weißes Pferd ein Element der Menge aller Pferde. Wird die Schlussregel B angewandt, ist ein weißes Pferd kein Element der Menge aller Pferde, weil die Elemente dieser Menge die Eigenschaft weiß nicht besitzen.

Alle Klarheiten beseitigt? Dann gibt es ja keine Probleme mehr und wir können zum Tagesgeschehen rübertraben. Oh nein, lieber nicht. Zu komplex.

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