2013 war DAS große Jahr für alle Aussiedler. Irgendwie hat man das medial gar nicht so mitbekommen. Dabei war es letztes Jahr genau 250 Jahre her, dass „Catharina die Zweyte, Kayserin und Selbstherrscherin aller Reußen, zu Moscau, Kiow, Wladimir, Nowgorod, Zaarin zu Kasan“ (hier kommen noch weitere neun Zeilen mit Ländereien), in einem Manifest festlegte:
„Wir verstatten allen Ausländern in Unser Reich zu kommen, um sich in allen Gouvernements, wo es einem jeden gefällig, häuslich niederzulassen.“
Wenn sie alle schreibt, meint sie die deutschen Ausreisewilligen, denn das Manifest hing an Kirchen und Rathäusern in deutschen Landen aus. (Es kam noch ein Zusatz, der mich nachdenklich stimmt: ausgenommen Juden. Ihre Geschichte in Russland ist noch eine andere.)
Den Siedlern winkten allerley Vergünstigungen. Neben Religionsfreiheit (solang sie Christen waren) und dem Recht Kirchen zu bauen, wurde Ihnen unter anderem die Befreiung vom Militärdienst zugesagt desweiteren Befreiung von Zöllen und steuerlichen Abgaben für dreißig Frei-Jahre, Gewährung von Darlehen und Reisegeld nebst der Zusicherung, Russland jederzeit wieder verlassen zu können.
Gründe wegzugehen, gab es genug. In der Zeit war insbesondere Südwestdeutschland von Kriegen mit Frankreich betroffen. Es diente als Durchmarschgebiet für Truppen und aufgrund der vielen militärischen Einsätze litten die Gemeinden stark unter sogenannten Sonderabgaben. Der Dreißigjährige Krieg lag zwar lange zurück, aber an religiöse Freiheit war nicht zu denken.
Irgendwo habe ich gelesen, dass damals sogar mehr Menschen in den Osten ausgewandert sind als nach Amerika. Ach hier, ich zitiere Ulrich Meier:
Im 18. Jahrhundert standen ca. 100 000 Amerikafahrern 400 000–500 000 Auswanderer nach Südosteuropa gegenüber (vgl. O’Reilly, 1999, S. 109). Allein aufgrund der Manifeste der Zarin Katharina II. vom 4. 12. 1762 und 22. 7. 1763 machten sich rund 30 000 Deutsche auf den Weg nach Russland und in das nach der Aufteilung Polens entstandene »Russisch-Polen«.
Und dann kommen wir ins Spiel, denn meine Leute sind nach 1804 in die Ukraine ausgewandert, diesmal eingeladen von einem Nachkommen der Zarin Katharina, Zar Alexander I:
40 Jahre später folgten mindestens 100 000 Auswanderer in die Schwarzmeergebiete (vgl. Löwe, 1999, S. 427). Viele von ihnen kamen aus Süd- und Südwestdeutschland. Die Russlandfahrer wurden auf Kosten der russischen Regierung per Schiff nach St. Petersburg gebracht, wo sie den Untertaneneid ablegten.
An mir wäre das Jubiläum gänzlich vorübergegangen, wenn mich nicht eine Freundin, die sich mit Ahnenforschung beschäftigt, auf einen Artikel im Abendblatt hingewiesen hätte. Es ist schon spannend, was wir wahrnehmen und welcher Fokus auf der Geschichte liegt. Da kann einem schonmal die Auswanderung von 500 000 Menschen durch die Lappen gehen. Wenns so lange her ist.
Gefeiert habe ich diesen Gedenktag jedenfalls nicht.